Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit eines Funktions- bzw. Mandatsträgers der NPD

Leitsätze:

  1. Unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. ist in der Regel auch derjenige, der verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt (Bestätigung von BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29.08 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 13 ff.).
  2. Bestrebungen, die sich im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, liegen bei einer Vereinigung vor, die als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will, wie dies für eine mit dem Nationalsozialismus wesensverwandte Vereinigung kennzeichnend ist. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Übertragung der Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 GG: BVerwG, Urteile vom 1. September 2010 – 6 A 4.09 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 55 Rn. 13 und vom 19. Dezember 2012 – 6 A 6.11 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 14).
  3. Die verfassungsfeindlichen Bestrebungen einer Partei werden jedenfalls dann im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt, wenn leitende Funktionen in der Partei oder Mandate als Vertreter der Partei in Parlamenten und Kommunalvertretungen wahrgenommen werden.
  4. Ist der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. erfüllt, muss einzelfallbezogen geprüft werden, ob atypische Umstände vorliegen, die geeignet sein könnten, die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit zu widerlegen. In den Fällen der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen einer Partei durch Wahrnehmung von Parteiämtern oder Mandaten in Parlamenten und Kommunalvertretungen setzt dies – neben einem in waffenrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verhalten – grundsätzlich die Feststellung voraus, dass die betreffende Person sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen anderer Mitglieder oder Anhänger der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert hat.

Urteil

BVerwG 6 C 9.18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller und Hahn sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. März 2018 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger besitzt als Sportschütze eine Lang- und eine Kurzwaffe (Repetierbüchse Anschütz 1710, Kaliber 22 lfB; Sportpistole SIG Sauer P 226S, Kaliber 9 mm Para). Die Waffen sind in der vom Landkreis S. am 17. August 1999 ausgestellten Waffenbesitzkarte Nr. … eingetragen.

2 Das Landesamt für Verfassungsschutz informierte den Beklagten im Oktober 2010 und erneut im November 2014 darüber, dass der Kläger seit Oktober 2000 aktives Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes So. sei. Außerdem vertrete er die NPD im Kreistag So. sowie im Gemeinderat der Gemeinde R. Für die Landtagswahl 2009 habe er auf Platz … der Landesliste der NPD kandidiert.

3 Mit Bescheid vom 25. März 2015 widerrief der Beklagte unter Nr. 1 die dem Kläger ausgestellte „Waffenbesitzkarte Nr. … (WBK grün vom 16.01.1998)“ und forderte den Kläger auf, die in den „Waffenbesitzkarten“ eingetragenen Schusswaffen innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen, dies dem Beklagten anzuzeigen und die „o.g. Waffenbesitzkarte“ bei der Waffenbehörde des Beklagten abzugeben (Nr. 2). Darüber hinaus wurde dem Kläger der Erwerb und Besitz von Waffen aller Art, Schusswaffen, Schießapparaten, Munition und Geschossen mit pyrotechnischer Wirkung untersagt (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Verfügungen Nr. 2 und 3 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der Waffenbesitzkarte wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 € (Nr. 5) und für den Fall des nicht fristgerechten Nachweises der Unbrauchbarkeit der Schusswaffen bzw. des Überlassens an einen Berechtigten deren Sicherstellung und Verwertung (Nr. 6) angedroht. Zur Begründung gab der Beklagte an, der Kläger sei im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG unzuverlässig, da er als Fraktionsmitglied der NPD im Kreistag, als Mitglied im Gemeinderat sowie als Kreisvorstandsmitglied der NPD die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen dieser Partei aktiv unterstütze.

4 Der Kläger legte am 20. April 2015 Widerspruch ein und erhob am 16. Februar 2016 (Untätigkeits-)Klage. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 änderte die Landesdirektion D. Nr. 1, 2 und 5 des Bescheids vom 25. März 2015 dahingehend ab, dass sie die Bezeichnung der Waffenbesitzkarte jeweils in „Nr. … (WBK grün vom 17.08.1999)“ änderte, die in Nr. 2 genannte Frist auf vier Wochen nach Zustellung des Widerspruchsbescheids bestimmte und zusätzlich gegenüber dem Kläger verfügte, noch in seinem Besitz befindliche Munition unter Aufgabe der tatsächlichen Gewalt einem Berechtigten zu überlassen. Nr. 3 des Ausgangsbescheids wurde aufgehoben. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

5 Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 25. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Landesdirektion Sachsen vom 6. Juni 2016 aufgehoben. Die Annahme fehlender Zuverlässigkeit des Klägers lasse sich nicht darauf stützen, dass dieser als Mitglied einer Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolge oder unterstütze. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG sei auf Parteien nicht anwendbar. Zudem seien die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht erfüllt.

6 Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die Regelvermutung waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG in der hier noch maßgeblichen Fassung (a.F.) gelte auch für Mitglieder oder Anhänger einer politischen Partei. Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F., die an die Mitgliedschaft in einer Partei anknüpfe, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, gehe nicht als lex specialis vor. Das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Die verfassungsrechtlich geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung werde nicht in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. diene dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit und beanspruche für die Mitglieder und Anhänger der Parteien Geltung wie für alle anderen Bürger. Ob es sich bei der NPD um eine Vereinigung handele, deren Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet seien, hätten die Verwaltungsgerichte festzustellen. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehörten vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition als unantastbare Grundwerte. Gegen diese elementaren Verfassungsgrundsätze richte sich insbesondere eine Vereinigung, die in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweise. Nach diesem Maßstab sei die NPD als verfassungsfeindlich einzustufen. Dies ergebe sich aus den Feststellungen in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 über den gegen die NPD gerichteten Verbotsantrag, die – soweit es die Ziele und Aktivitäten der NPD in Sachsen und speziell in dem beklagten Landkreis betreffe – durch den Sächsischen Verfassungsschutzbericht 2015 bestätigt würden. Der Kläger habe die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der NPD im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt, indem er für diese Partei Mandate auf kommunaler Ebene sowie die Funktion als Kreisvorstandsmitglied wahrgenommen habe. Diese Betätigungen entfalteten Außenwirkung und wirkten sich existenzsichernd für die Vereinigung aus. Nicht erforderlich sei, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung auf eine Weise in Frage gestellt werde, welche den Schluss erlaube, dass der Betroffene eine Waffe zukünftig im Sinne einer verfassungsfeindlichen Einstellung gegen die Rechtsordnung einsetzen werde. Atypische Umstände, die geeignet sein könnten, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, seien nicht ersichtlich. Zwar sei der Kläger sowohl strafrechtlich als auch in waffenrechtlicher Hinsicht bislang unauffällig geblieben. Die Vermutung der Unzuverlässigkeit könne jedoch allein durch waffenrechtskonformes Verhalten in der Vergangenheit nicht ausgeräumt werden. Ein atypischer Fall sei z.B. denkbar, wenn der Inhaber der Waffenbesitzkarte an einem Ausstiegsprogramm teilgenommen und damit ein deutliches Signal für eine Änderung seiner Gesinnung gesetzt habe.

7 Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund der Parteimitgliedschaft oder -anhängerschaft beeinträchtige die durch Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Meinungsbildung und verletze das Recht auf Chancengleichheit im politischen Prozess. Mitglieder und Förderer der NPD würden allein aufgrund der Wahrnehmung von Mandaten und Funktionen innerhalb der Partei als unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts stigmatisiert und wegen ihrer politischen Anschauung und ihres legalen Engagements diskriminiert. Die Annahme einer Unzuverlässigkeit im Sinne der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG setze daher voraus, dass das Parteimitglied die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschreite und seine Funktion oder sein Mandat für die Partei in rechtswidriger Weise missbrauche. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger befasse sich bei der Mandatswahrnehmung auf der Kommunalebene nur mit Sachproblemen und habe wegen der verfassungsrechtlich begrenzten Kompetenzen der kommunalen Körperschaften keine Möglichkeit, auf die Bundes- oder Landesgesetzgebung einzuwirken. In der früher wahrgenommenen Funktion eines Mitglieds des Kreisvorstandes habe er weder Einfluss auf den Inhalt der Parteiprogramme noch auf die Ausrichtung eines Landtags- oder Bundestagswahlkampfes, die Aufstellung von Kandidaten für Landtags- oder Bundestagswahlen oder die Aufstellung von Wahl- oder Grundsatzprogrammen gehabt. Vielmehr habe sich seine Tätigkeit darauf beschränkt, organisatorische Belange und zivilrechtliche Angelegenheiten des Kreisverbandes zu regeln sowie auf die Einhaltung und Umsetzung der durch den Landesverband bzw. den Bundesverband vorgegebenen Satzungsvorschriften zu achten. Als Mandatsträger sei der Kläger zwar über die Wahlvorschlagsliste der NPD gewählt worden und bilde dort mit anderen über diese Liste gewählten Mandatsträgern eine Fraktion, sei aber letztlich frei und allein seinem Gewissen unterworfen. Der Umstand, dass er seit 18 Jahren seine Waffen ohne festgestellte Beanstandungen führe, hätte bei der Prognoseentscheidung mit ausschlaggebendem Gewicht der nur abstrakt-generell aufgestellten gesetzlichen Vermutung entgegengesetzt werden müssen.

8 Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen das Berufungsurteil.

II

9 Die Revision des Klägers ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Das Berufungsgericht hat zwar ohne Rechtsverstoß angenommen, dass der angefochtene Widerrufsbescheid des Beklagten nicht an formellen Mängeln leidet (1.). Mit materiellem Bundesrecht vereinbar ist auch der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, der Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a des Waffengesetzes in der hier noch anwendbaren Fassung vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) – WaffG a.F. -, werde in den Fällen der Unterstützung einer politischen Partei nicht durch § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. als speziellerer Norm verdrängt (2.). Ebenfalls rechtsfehlerfrei sind die Annahmen des Berufungsgerichts, die NPD sei eine Vereinigung, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolge (3.), und der Kläger habe diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen durch die Wahrnehmung von Parteiämtern sowie von Mandaten in Kommunalvertretungen unterstützt (4.). Das Berufungsurteil verletzt jedoch dadurch revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, dass es bei der Prüfung atypischer Umstände, die geeignet sein könnten, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, einen unzutreffenden Maßstab zugrunde legt (5.). Da die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausreichen, um abschließend über das Vorliegen eines Ausnahmefalles entscheiden zu können, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (6.).

10 1. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der angefochtene Bescheid keinen formell-rechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit unterliegt. Nach der gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisiblen Vorschrift des § 37 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen (SächsVwVfZG) vom 19. Mai 2010 (SächsGVBl. S. 142), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2013 (SächsGVBl. S. 503) muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass der Adressat in die Lage versetzt wird, zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1990 – 4 C 41.87 – BVerwGE 84, 335 <338> und vom 16. Oktober 2013 – 8 C 21.12 – BVerwGE 148, 146 Rn. 13). Die Regelungen des Ausgangsbescheids des Beklagten vom 25. März 2015 genügen diesen Anforderungen.

11 Dem Einwand, der Beklagte habe in dem Bescheid den Widerruf der Waffenbesitzkarte Nr. … mit dem Ausstellungsdatum 16. Januar 1998 verfügt, obwohl der Kläger Inhaber der Waffenbesitzkarte Nr. … mit dem Ausstellungsdatum 17. August 1999 sei, hat das Berufungsgericht entgegengehalten, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt weitere Waffenbesitzkarten besessen, die Gegenstand eines Widerrufs hätten sein können. Zum anderen hat das Oberverwaltungsgericht hervorgehoben, in Ziffer I der Gründe des Ausgangsbescheids seien die auf der einzigen Waffenbesitzkarte des Klägers eingetragenen Waffen vollständig und mit zutreffender Bezeichnung samt Seriennummer aufgeführt. Diesen tatsächlichen Feststellungen ist die Revision nicht entgegengetreten. Sie tragen die Würdigung des Berufungsurteils, für einen verständigen Dritten habe kein Zweifel daran bestehen können, dass es sich bei dem im Ausgangsbescheid im Klammerzusatz aufgenommenen Ausstellungsdatum offensichtlich um einen Schreibfehler handelte und nur die am 17. August 1999 ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr. … gemeint war.

12 Auf die Hilfsbegründung des Oberverwaltungsgerichts, die Landesdirektion Sachsen sei befugt gewesen, im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 die Bezeichnung der Waffenbesitzkarte im Ausgangsbescheid des Beklagten zu ändern und damit die zunächst fehlende Bestimmtheit nachträglich herzustellen, kommt es daher nicht an. Ein Bundesrechtsverstoß liegt jedoch auch insoweit nicht vor. Denn das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und wird erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen, wobei die Widerspruchsbehörde gemäß § 68 Abs. 1 VwGO grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde besitzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2011 – 9 C 2.11 – BVerwGE 140, 245 Rn. 20 m.w.N.).

13 2. Rechtsgrundlage für den unter Nr. 1 des angefochtenen Bescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids verfügten Widerruf der Waffenbesitzkarte des Klägers ist § 45 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 und § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG voraus, dass der Antragsteller u.a. die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5) besitzt. Da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Fall des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids abzustellen ist (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 1994 – 1 C 31.92 – BVerwGE 97, 245 <250> und vom 16. Mai 2007 – 6 C 24.06 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 93 Rn. 35), hier also auf den 6. Juni 2016, kommt insoweit § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG in der bis zum 5. Juli 2017 geltenden Fassung (a.F.) zur Anwendung. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen danach in der Regel Personen nicht, die einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.

14 Die Annahme des Berufungsurteils, der Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. werde nicht durch § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. als speziellerer Norm verdrängt, wenn es sich bei der Vereinigung, deren Bestrebungen verfolgt oder unterstützt werden, um eine politische Partei handelt, steht im Einklang mit revisiblem Recht. Nach der zuletzt genannten Bestimmung besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die Mitglied in einer Partei waren, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 BVerfGG festgestellt hat, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind. Fehlt es wie im Fall der NPD, deren Mitglied der Kläger ist, an einer entsprechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, steht dies der Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. nicht entgegen. Der Senat hat bereits entschieden, dass unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. in der Regel auch derjenige ist, der verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29.08 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 13 ff.). Hieran hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Der abweichenden Auffassung des Verwaltungsgerichts (vgl. in diesem Sinne auch Wiedemann/Snowadsky, BayVBl. 2011, 102; Beaucamp, DÖV 2018, 709; a.A.: Spitzlei/Hautkappe, DÖV 2018, 973 <978>) ist das Oberverwaltungsgericht zu Recht entgegengetreten.

15 Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vorschrift hinter § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. zurückzutreten hätte. Die unterschiedliche tatbestandliche Ausgestaltung spricht vielmehr in gesetzessystematischer Hinsicht dafür, dass beide Vorschriften nebeneinander anwendbar sind (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29.08 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 15). Denn das in § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG a.F. genannte Merkmal der „Mitgliedschaft“ ist rein organisationsbezogen, während sich das Merkmal „Bestrebungen verfolgen“ in Nr. 3 auf die Tätigkeit bezieht. Zudem beträgt die „Wohlverhaltensfrist“ bei Nr. 2 zehn Jahre, bei Nr. 3 aber nur fünf Jahre. Daher verbleibt für § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. auch ohne die vom Verwaltungsgericht befürwortete einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. ein substantieller Anwendungsbereich. Die Annahme der Selbständigkeit der beiden Tatbestände wird durch die Entstehungsgeschichte der zuletzt genannten Vorschrift bestätigt (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29.08 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 16). Nach der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts vom 7. Dezember 2001 soll jedwede – individuelle oder kollektive – verfassungsfeindliche Betätigung in der Regel zur Annahme der Unzuverlässigkeit führen, wobei im Unterschied zu Nr. 2 der Begriff des „Verfolgens“ verfassungsfeindlicher Bestrebungen auch in der kollektiven Fallvariante „als Mitglied“ immer an eine aktive individuelle Betätigung anknüpfen soll. Für die Einschlägigkeit des Unzuverlässigkeitstatbestandes nach Nr. 3 soll eine Mitgliedschaft nach der Gesetzesbegründung zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung sein (BT-Drs. 14/7758 S. 55). Der Gesetzgeber ist demnach davon ausgegangen, dass Nr. 3 auch dann zum Tragen kommen kann, wenn die betreffenden Bestrebungen von dem Mitglied einer nicht verbotenen Partei im Rahmen seiner parteioffiziellen oder parteiverbundenen Tätigkeit verfolgt werden.

16 Der Annahme einer Ausschlusswirkung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. im Verhältnis zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. steht vor allem auch der Normzweck entgegen. Der Senat hat wiederholt hervorgehoben, dass es das zentrale Anliegen des Waffengesetzes ist, den Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern zu verstärken, d.h. das mit jedem Waffenbesitz verbundene Risiko zu minimieren und nur bei Personen hinzunehmen, die das Vertrauen verdienen, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen (BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2007 – 6 C 24.06 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 93 Rn. 46 f., 65 und vom 30. September 2009 – 6 C 29.08 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 17). Schutzlücken, die dem Regelungszweck des Gesetzes widersprächen, Risiken des Waffenbesitzes auf ein Mindestmaß zu beschränken, sind zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 – 6 C 1.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​280115U6C1.14.0] – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 105 Rn. 8 in Bezug auf das Verhältnis zwischen § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG einerseits und § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 WaffG andererseits). Eine derartige Schutzlücke entstünde jedoch dann, wenn das Verfolgen von Bestrebungen der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. genannten Art im Schatten der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei zum Nachteil der Allgemeinheit folgenlos bliebe, obwohl es nach der Wertung des Gesetzes regelmäßig die Unzuverlässigkeit begründet (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29.08 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 17).

17 Für eine einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F., wie sie das Verwaltungsgericht mit Rücksicht auf das sog. Parteienprivileg für erforderlich gehalten hat, besteht kein Anlass. Zwar verbot Art. 21 Abs. 2 GG a.F. (vgl. jetzt Art. 21 Abs. 4 GG n.F.) bis zu der – hier noch nicht anwendbaren – Neufassung des Art. 21 GG durch verfassungsänderndes Gesetz vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2346), mit der die Möglichkeit geschaffen wurde, verfassungsfeindliche Parteien von staatlicher Finanzierung auszuschließen (vgl. Art. 21 Abs. 3 GG n.F.), jede rechtliche Anknüpfung an die verfassungsfeindliche Ausrichtung einer Partei und jede darauf gestützte strafrechtliche oder administrative Behinderung ihrer politischen Tätigkeit bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteile vom 17. August 1956 – 1 BvB 2/51 – BVerfGE 5, 85 <140>, vom 21. März 1961 – 2 BvR 27/60 – BVerfGE 12, 296 <LS 1 und S. 305>, vom 26. Oktober 2004 – 2 BvE 1/02 und 2/02 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2004:​es20041026.2bve000102] – BVerfGE 111, 382 <410> und vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2017:​bs20170117.2bvb000113] – BVerfGE 144, 20 Rn. 526). Andere Sanktionen als die zum Parteiverbot führende Feststellung der Verfassungswidrigkeit sah Art. 21 Abs. 2 GG a.F. nicht vor und ließ das Grundgesetz seinerzeit nicht zu. Ausgeschlossen war damit auch jede im Rang unter dem Grundgesetz stehende Regelung zur Benachteiligung wegen der Mitgliedschaft in einer solchen Partei oder wegen des Eintretens für deren Ziele (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 – 10 CN 1.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​270618U10CN1.17.0] – NVwZ 2018, 1656 Rn. 40). Eine Modifizierung des Regelungskonzepts des Art. 21 Abs. 2 GG a.F., etwa hinsichtlich der Schaffung von Möglichkeiten gesonderter Sanktionierung im Fall der Erfüllung einzelner Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 GG unterhalb der Schwelle des Parteiverbots, war dem verfassungsändernden Gesetzgeber vorbehalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 Rn. 526, 527 a.E., 625). Das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. bezog sich dabei nicht nur auf die Parteiorganisation, sondern auch auf die parteioffizielle bzw. parteiverbundene Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei, soweit sie mit allgemein erlaubten Mitteln arbeiten, insbesondere nicht gegen die allgemeinen, d.h. kein Sonderrecht gegen die Parteien enthaltenden Strafgesetze verstoßen (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29.08 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 20 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1978 – 2 BvR 487/76 – BVerfGE 47, 130 <139> m.w.N.).

18 Die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit von Mitgliedern einer Partei bei Vorliegen der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. genannten Voraussetzungen steht mit diesen Grundsätzen im Einklang; denn die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung wird hierdurch nicht in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29.08 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 21). Ein zielgerichteter Eingriff in die Freiheit der politischen Betätigung der betreffenden Partei liegt nicht vor, da waffenrechtliche Erlaubnisse für eine solche Betätigung ohne Relevanz sind. Allerdings ist eine mittelbare bzw. faktische Beeinträchtigung nicht auszuschließen, wenn die Aussicht der Nichterteilung oder des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis bei einem Teil der Anhänger der Partei dazu führen kann, von Aktivitäten für die Partei abzusehen. Von dem Grundsatz, dass eine von Verfassungs wegen erlaubte parteioffizielle oder parteiverbundene Tätigkeit von Mitgliedern oder Anhängern einer Partei nicht in anderen Rechtsbereichen mit nachteiligen Folgen verknüpft werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. Juni 1961 – 1 BvR 486/59 – BVerfGE 13, 46 <52> und vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 <357 f.>), ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn der Gesetzgeber aufgrund anderer Verfassungssätze verpflichtet oder jedenfalls berechtigt ist, eine abweichende Regelung zu treffen. Denn eine Verfassungsvorschrift darf nicht isoliert gesehen werden, sondern muss vielmehr aus dem Gesamtgefüge der Verfassung heraus, also in Rücksicht auf das Prinzip der Einheit der Verfassung ausgelegt werden (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980 – 2 BvF 3/77 – BVerfGE 55, 274 <300> m.w.N.).

19 In diesem Sinne berechtigt die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit den Gesetzgeber, Gründe für eine regelmäßig anzunehmende waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch im Verhältnis zu Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien aufzustellen und auszugestalten. Wegen der extremen Gefährlichkeit des Umgangs mit Waffen ist der Staat verfassungsrechtlich gehalten, die Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern wirksam zu schützen. Der Gesetzgeber ist im Einklang mit seiner Schutzverpflichtung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu der Einschätzung gelangt, dass das Verfolgen oder Unterstützen der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. näher bezeichneten verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Regelfall dazu führt, dass die betreffende Person nicht die Gewähr dafür bietet, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen. Die damit verbundene Vorverlagerung des Schutzes höchstrangiger Rechtsgüter hält sich im Rahmen des weiten Einschätzungs- und Prognosespielraums, der dem Gesetzgeber nicht nur bei der Festlegung der von ihm ins Auge gefassten Regelungsziele, sondern auch bei der Beurteilung dessen zusteht, was er zur Verwirklichung dieser Ziele für geeignet und erforderlich halten darf. Bei der Einschätzung von Gefahren, die der Allgemeinheit drohen, und bei der Beurteilung der Maßnahmen, die der Verhütung und Bewältigung dieser Gefahren dienen sollen, ist der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers erst überschritten, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können (BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2004:​rs20040316.1bvr177801] – BVerfGE 110, 141 <157 f.>).

20 Für die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die Betätigung, die nach der plausiblen Einschätzung des Gesetzgebers regelmäßig die Unzuverlässigkeit begründet, innerhalb oder außerhalb einer politischen Partei ausgeübt wird. Vergleichbar mit den allgemeinen, d.h. kein Sonderrecht gegen die Parteien enthaltenden Strafgesetzen handelt es sich bei § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. daher um eine Vorschrift, die dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit dient und für die Mitglieder und Anhänger der Parteien auch in Anbetracht des Art. 21 Abs. 2 GG a.F. ebenso Geltung beansprucht wie für alle anderen Bürger. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist auch keine „Aushöhlung“ des Parteienprivilegs dadurch zu befürchten, dass die vorstehenden Erwägungen auf eine Vielzahl anderer „gefahrgeneigter“ Tätigkeiten wie den Betrieb von Gaststätten oder das Führen von Kraftfahrzeugen übertragen werden könnten. Denn die zum Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern getroffenen Regelungen tragen dem einzigartigen Gefahrenpotenzial des Umgangs mit Waffen Rechnung. Der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) kommt in diesem Zusammenhang eine erheblich gesteigerte Bedeutung zu.

21 Die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. bei Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien verletzt auch keine Grundrechte. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit durch die Regelung über die Versagung sowie den Widerruf und die Rücknahme waffenrechtlicher Erlaubnisse bei fehlender Zuverlässigkeit des Betroffenen formell und materiell wirksam eingeschränkt ist. Die in einem formellen Gesetz getroffene Regelung ist Teil der verfassungsmäßigen Ordnung, die nach Art. 2 Abs. 1 GG die Handlungsfreiheit beschränkt, ohne ihren Wesensgehalt im Sinne des Art. 19 Abs. 2 GG anzutasten. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei der Vermutungsregelung dadurch genügt, dass den Besonderheiten des Einzelfalles in Ausnahmefällen Rechnung getragen werden kann (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1994 – 1 C 31.92 – BVerwGE 97, 245 <250 f.>). Eine Verletzung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) oder eine unzulässige Benachteiligung wegen der politischen Anschauung (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) liegt aus den genannten Gründen nicht vor. Bei der an die Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen einer Vereinigung anknüpfenden Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit handelt es sich nicht um eine staatliche Sanktion wegen der Äußerung einer politischen Einstellung (so aber Beaucamp, DÖV 2018, 709 <710, 714>), sondern – wie dargelegt – um ein allgemeines Gesetz, das dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit dient.

22 3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die NPD, deren Mitglied der Kläger ist, sei eine Vereinigung, die im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, ist ebenfalls mit revisiblem Recht vereinbar.

23 Bei dem in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. genannten Tatbestandsmerkmal der Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Diese Entscheidungskompetenz ist entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch eingeschränkt, dass die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei nach Art. 21 Abs. 2 GG a.F., § 46 BVerfGG dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist. Für die Auslegung kann auf die Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 GG zurückgegriffen werden. Nach der zweiten Tatbestandsvariante des Art. 9 Abs. 2 GG sind solche Vereinigungen verboten, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie die freiheitliche demokratische Grundordnung in Art. 21 Abs. 2 GG die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 1 BvR 1474/12, 670/13, 57/14 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2018:​rs20180713.1bvr147412] – NVwZ 2018, 1788 Rn. 107; vgl. auch Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 Rn. 529 ff.). Weiter muss sich eine Vereinigung gegen diese elementaren Grundsätze „richten“. Hierfür reicht es nicht aus, dass sie sich kritisch oder ablehnend gegen diese Grundsätze wendet oder für eine andere Ordnung eintritt. Anders als bei Art. 21 Abs. 2 GG, der fordert, dass eine Partei „darauf ausgeht“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, muss jedoch nicht bereits eine konkrete Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung eingetreten sein. Entscheidend ist, ob die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 Rn. 529 ff., 594 f.; Beschluss vom 13. Juli 2018 – 1 BvR 1474/12, 670/13, 57/14 – NVwZ 2018, 1788 Rn. 108 f.). Dazu genügt aber, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will, wie dies für eine mit dem Nationalsozialismus wesensverwandte Vereinigung kennzeichnend ist. Sie muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (BVerwG, Urteile vom 1. September 2010 – 6 A 4.09 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 55 Rn. 13 und vom 19. Dezember 2012 – 6 A 6.11 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 14).

24 Von diesen Maßstäben geht das Berufungsurteil in der Sache zutreffend aus. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht in missverständlicher Weise ausgeführt, dass die NPD ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger nach „darauf ausgeht“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils wird jedoch deutlich erkennbar, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung und Anwendung des in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. genannten Tatbestandsmerkmals der Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, gerade nicht auf den strengeren Maßstab abgestellt hat, der gemäß Art. 21 Abs. 2 GG für Parteiverbote gilt.

25 Gestützt auf das genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 sowie den Sächsischen Verfassungsschutzbericht 2015 hat das Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht folgende Feststellungen getroffen: Die NPD strebt auch in Sachsen danach, das Mehrparteiensystem abzuschaffen und an dessen Stelle einen autoritär geführten Staat zu errichten, in dem sich der Einzelne der Gemeinschaft unterordnen muss. Die NPD erkennt die Menschenwürde nur bei den durch ihre Abstammung definierten Mitgliedern der „Volksgemeinschaft“ an. Denjenigen Menschen, die sie nicht als Bestandteil dieser „Volksgemeinschaft“ und deshalb als Bedrohung der „deutschen Volkssubstanz“ ansieht, will die NPD Grundrechte verweigern und einen niedrigeren Rechtsstatus zuweisen. Aus der rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Ausrichtung ergibt sich eine Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus, auch wenn sich die NPD hierzu nicht offen bekennt. Ihre Ziele verfolgt die NPD nicht nur mit gewöhnlicher Parteiarbeit, sondern u.a. auch dadurch, dass sie den Staat diffamiert, in der Bevölkerung vorhandene Ängste und Protesthaltungen verschärft und in sozialen Medien, oft auch ohne unter dem Parteinamen in Erscheinung zu treten, fremdenfeindliche Agitation betreibt.

26 Diese tatsächlichen Feststellungen, die die Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat und die den Senat daher gemäß § 137 Abs. 2 VwGO binden, sind ohne weiteres geeignet, die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts zu tragen, dass im Fall der NPD Bestrebungen vorliegen, die im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Wer das Ziel verfolgt, die Geltung des Grundsatzes der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG für Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen sowie elementare Bestandteile des Demokratieprinzips zu beseitigen, und zur Erreichung dieses Ziels auf unterschiedlichen Ebenen Aktivitäten entfaltet, die neben der Teilnahme am regulären politischen Meinungskampf auch Diffamierungen und Agitation umfassen, nimmt nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung ein. Diese Würdigung steht nicht in Widerspruch zu der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bei der NPD eine Grundtendenz besteht, ihre verfassungsfeindlichen Ziele durch Gewalt oder die Begehung von Straftaten durchzusetzen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 Rn. 951 ff.). Denn ein kämpferisch-aggressives Vorgehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung setzt – wie ausgeführt – keine Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen voraus.

27 4. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass der Kläger durch die Wahrnehmung von Parteiämtern sowie von Mandaten in Kommunalvertretungen die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der NPD im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt hat.

28 Aus dem bereits erörterten systematischen Verhältnis zu § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. folgt, dass die bloße Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolgt, für sich genommen nicht ausreicht, um den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu erfüllen und von einer Unterstützung dieser Bestrebungen durch den Betroffenen auszugehen. Dies wird durch die vom Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 55) bestätigt. Entsprechendes muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (ebenso VGH Kassel, Urteil vom 12. Oktober 2017 – 4 A 626/17 – NVwZ 2018, 1813 Rn. 19) auch für die rein passive Teilnahme an Parteiveranstaltungen gelten, selbst wenn diese wiederholt erfolgt. Zur Regelunzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. führen andererseits entgegen einer verbreiteten Ansicht (vgl. VG Leipzig, Beschluss vom 5. Oktober 2015 – 3 L 183/15 – juris Rn. 23; Bushart, in: Apel/Bushart, Waffenrecht, Band 2: Waffengesetz, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 39; Gade, Waffengesetz, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 29; Beaucamp, DÖV 2018, 709 <711>) nicht nur solche Aktivitäten, die die Bereitschaft erkennen lassen, die Waffe zukünftig zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung einzusetzen. Denn der Regelung liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass die aktive Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen die – im Einzelfall widerlegbare – Prognose eines waffenrechtlich relevanten Sicherheitsrisikos rechtfertigt, ohne dass darüber hinaus noch ein konkreter Bezug zum Einsatz von Waffen erforderlich ist.

29 Bei der Abgrenzung zwischen relevanten Unterstützungshandlungen und lediglich untergeordneten Aktivitäten wie der Zahlung von Mitgliedsbeiträgen hat das Oberverwaltungsgericht das Kriterium der Außenwirkung der konkreten Betätigung herangezogen und in der Sache zutreffend die wesentlichen Fallgruppen herausgearbeitet, in denen es gerechtfertigt erscheint, von einer Unterstützung im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. auszugehen. Hierzu zählt jedenfalls die Wahrnehmung von leitenden Funktionen in der Partei. Wer herausgehobene Ämter wie dasjenige des Vorsitzenden oder des stellvertretenden Vorsitzenden in einer verfassungsfeindlichen Partei oder einer ihrer Gliederungen übernimmt, bringt damit zum Ausdruck, dass er sich mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei in besonderem Maße identifiziert und sich dauerhaft hierfür einsetzen will. Zudem hat ein solcher Funktionsträger maßgeblichen Einfluss auf die Art und Weise, wie sich die Partei nach außen hin präsentiert. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für Mitglieder eines Kreisvorstands. Selbst wenn es zuträfe, was hier offen bleiben kann, dass mit der Wahrnehmung von Parteiämtern auf dieser Ebene in erster Linie organisatorische Aufgaben ohne gesteigerte Einflussmöglichkeiten auf den Inhalt von Parteiprogrammen, die Ausrichtung von Landtags- oder Bundestagswahlkämpfen oder die Aufstellung von Kandidaten für Landtags- oder Bundestagswahlen verbunden sind, ist doch gerade die ständige organisatorische Präsenz auf der kommunalen Ebene für die öffentliche Wahrnehmung einer Partei bedeutsam.

30 Aus den gleichen Erwägungen ist auch die Wahrnehmung von Mandaten für eine verfassungsfeindliche Partei im Bundestag, in einem Landtag oder einer Kommunalvertretung als ein „Unterstützen“ im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. zu werten. Entsprechendes gilt bei der Teilnahme an Wahlen als Bewerber einer verfassungsfeindlichen Partei, auch wenn hierbei kein Mandat errungen wird (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 12. Oktober 2017 – 4 A 626/17 – NVwZ 2018, 1813 Rn. 19). Auch in diesen Fällen ist von einer besonders intensiven Identifikation mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei auszugehen. Zudem wird das Erscheinungsbild der Partei in der Öffentlichkeit von dem Auftreten ihrer Kandidaten bei Wahlen und ihrer Vertreter in Parlamenten und kommunalen Vertretungen maßgeblich bestimmt. Es kommt deshalb entgegen der Auffassung der Revision nicht auf die konkreten Wirkungsmöglichkeiten des jeweiligen Mandatsträgers oder die Art der Sachprobleme an, mit denen er befasst ist.

31 Die Berücksichtigung der Wahrnehmung von Mandaten in einer Kommunalvertretung bei der Frage, ob verfassungsfeindliche Bestrebungen einer Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. unterstützt werden, widerspricht nicht dem Verfassungsgrundsatz des freien Mandats. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang auf § 35 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung verweist, wonach die Gemeinderäte ihr Mandat nach dem Gesetz und ihrer freien, dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung ausüben und an Verpflichtungen und Aufträge, durch die diese Freiheit beschränkt wird, nicht gebunden sind, handelt es sich um eine Vorschrift des irrevisiblen (§ 137 Abs. 1 VwGO) Kommunalverfassungsrechts des Landes. Aber selbst wenn angenommen wird, dass das freie Mandat der kommunalen Mandatsträger ebenso wie das freie Mandat der Abgeordneten auf Bundes- und Landesebene eine Konkretisierung des Demokratieprinzips und des Grundsatzes der Gewaltenteilung darstellt (vgl. VerfGH Weimar, Urteil vom 25. September 2018 – 24/17 – NVwZ-RR 2019, 129 Rn. 228), ist dieser Grundsatz im vorliegenden Zusammenhang nicht berührt. Das freie Mandat gewährleistet gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG die freie Willensbildung der Abgeordneten und damit auch eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen den Abgeordneten und den Wählerinnen und Wählern (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 – 2 BvR 2436/10, 2 BvE 6/08 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2013:​rs20130917.2bvr243610] – BVerfGE 134, 141 Rn. 92). Ferner gewährleistet Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG die Freiheit der Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 – 2 BvR 2436/10, 2 BvE 6/08 – BVerfGE 134, 141 Rn. 100). Auf keinen dieser Aspekte zielt die für die Beurteilung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit herangezogene Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen in Form der Wahrnehmung eines politischen Mandats. Vielmehr knüpft der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. auch in dieser Fallgruppe daran an, dass der Betroffene als Mandatsträger einen eigenen aktiven Unterstützungsbeitrag für eine verfassungsfeindliche Vereinigung leistet, dem nach der Prognose des Gesetzgebers die Gefahr einer Beeinträchtigung der waffenrechtlichen Schutzgüter durch den Betroffenen innewohnt.

32 Geht man nach alledem davon aus, dass eine Person die verfassungsfeindlichen Bestrebungen einer Partei jedenfalls dann im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt, wenn sie leitende Funktionen oder Mandate als Vertreter der Partei in Parlamenten und Kommunalvertretungen wahrnimmt, ist diese Voraussetzung im Fall des Klägers nach den unstreitigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Denn danach war der Kläger in dem maßgeblichen Zeitraum der letzten fünf Jahre vor Erlass des Widerspruchsbescheids stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes So. und vertrat die NPD im Kreistag So. sowie im Gemeinderat der Gemeinde R.

33 5. Das Oberverwaltungsgericht hat revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO jedoch dadurch verletzt, dass es bei der Prüfung, ob atypische Umstände vorliegen, die geeignet sein könnten, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, einen zu engen Maßstab zugrunde gelegt hat.

34 Zwar ist das Oberverwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass strafrechtlich und waffenrechtlich beanstandungsfreies Verhalten in der Vergangenheit zur Widerlegung der Vermutung der Unzuverlässigkeit in den Fällen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. allein nicht ausreicht. Darüber hinaus findet sich im Berufungsurteil jedoch lediglich die Bemerkung, ein atypischer Fall sei beispielsweise denkbar, wenn der Inhaber der Waffenbesitzkarte an einem Ausstiegsprogramm teilgenommen und damit ein deutliches Signal dafür gesetzt habe, dass er seine Gesinnung geändert habe und deswegen von ihm in Zukunft keine damit verbundene Gefahr mehr ausgehen werde. Dass das Oberverwaltungsgericht andere Umstände in Betracht gezogen hat, die einen Ausnahmefall kennzeichnen könnten, ist nicht erkennbar. Die Prüfung hätte jedoch darauf erstreckt werden müssen, ob die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers auch ohne den vom Oberverwaltungsgericht geforderten Nachweis einer Gesinnungsänderung deshalb widerlegt ist, weil der vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Zusammenhang zwischen der relevanten Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und dem Schutzzweck des Waffengesetzes ausnahmsweise fehlt.

35 In Bezug auf den Unzuverlässigkeitsgrund der Verurteilung wegen einer der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c WaffG genannten Straftaten ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht kommt, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1994 – 1 C 31.92 – BVerwGE 97, 245 <249 f.>). In vergleichbarer Weise ist in den Fällen der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F., sofern waffenrechtliche Beanstandungen nicht vorliegen, eine einzelfallbezogene Prüfung vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29.08 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 22). Hierbei muss beurteilt werden, ob die generalisierende Annahme eines waffenrechtlich relevanten Sicherheitsrisikos, die an die legale Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen einer politischen Partei anknüpft, im konkreten Fall tatsächlich tragfähig ist. Denn selbst wenn die Anknüpfung an solche Aktivitäten im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. – wie ausgeführt – nicht als staatliche Sanktion oder zielgerichtete Behinderung zu qualifizieren ist, sind mittelbare bzw. faktische Beeinträchtigungen der nach Art. 21 GG geschützten politischen Tätigkeit der betreffenden Partei nicht auszuschließen, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfen. Steht fest, dass ein Mitglied einer solchen Partei deren kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung in relevanter Weise unterstützt, wird zwar regelmäßig auch die Prognose gerechtfertigt sein, dass der ordnungsgemäße und verantwortungsbewusste Umgang mit Waffen nicht in der erforderlichen Weise gewährleistet ist. Orientiert sich die betreffende Partei – wie nach den bindenden Feststellungen im Berufungsurteil die NPD – am historischen Nationalsozialismus, drängt sich dies in besonderem Maße auf. Es müssen gleichwohl diejenigen Fallgestaltungen ausgesondert werden, in denen die vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Verbindung zwischen der Verfolgung bzw. Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und dem Schutzgut des Waffenrechts ausnahmsweise fehlt. In solchen Einzelfällen kann die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit die ausschließliche Anknüpfung an die Wahrnehmung von Parteiämtern und Mandaten zur Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nicht rechtfertigen.

36 Atypische Umstände, die in diesem Sinne geeignet sind, bei Funktions- und Mandatsträgern einer nicht verbotenen politischen Partei die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, liegen allerdings nicht schon dann vor, wenn – negativ – keine individuellen Äußerungen und Verhaltensweisen der betreffenden Person bekannt sind, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt oder zur Missachtung der geltenden Rechtsordnung erkennen lassen. Da Funktions- und Mandatsträger typischerweise einen gesteigerten Einfluss auf die Ausrichtung und das Profil der Partei haben, sind vielmehr – positiv – konkrete Belege für die aktive Bekämpfung derartiger Tendenzen in der Partei und ihrem unmittelbaren Umfeld zu fordern, damit die durch die Unterstützung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition als entkräftet angesehen werden können. Atypische Umstände im dargelegten Sinne sind daher bei den in Rede stehenden Personen grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn – neben einem in waffenrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verhalten – feststeht, dass sie sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert haben. Wer sich zur Widerlegung der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. auf derartige in seiner Sphäre liegende Umstände beruft, dem obliegt im Verfahren vor der Waffenbehörde oder dem Verwaltungsgericht zudem eine besondere Darlegungspflicht.

37 6. Ob nach dem dargelegten Maßstab im vorliegenden Fall atypische Umstände vorliegen, die geeignet sind, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, kann auf der Grundlage der Tatsachen, die das Berufungsgericht festgestellt hat, nicht entschieden werden. Danach steht zwar gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend fest, dass der Kläger sowohl strafrechtlich als auch in waffenrechtlicher Hinsicht bislang unauffällig geblieben ist. Nicht hinreichend geklärt ist jedoch, ob sich der Kläger von Äußerungen und Verhaltensweisen anderer Mitglieder der NPD, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt erkennen lassen oder einschüchternde Wirkung haben, entschieden, beständig und nach außen erkennbar distanziert hat. Hierzu hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen. Auch der Kläger musste bisher nicht davon ausgehen, dass es auf die Darlegung entsprechender Anhaltspunkte ankommen würde.

38 Weitere Ermittlungen sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil gewaltorientierte Tendenzen innerhalb der NPD, von denen sich der Kläger zu distanzieren hätte, nicht erkennbar wären. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im NPD-Verbotsverfahren bei der Subsumtion unter das in Art. 21 Abs. 2 GG genannte Tatbestandsmerkmal „darauf ausgehen“ keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Grundtendenz der NPD feststellen können, ihre verfassungsfeindlichen Absichten gezielt im Wege des Rechtsbruchs durchzusetzen (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 Rn. 951 ff.). Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht jedoch festgestellt, dass den von den Mitgliedern der NPD begangenen Gewalttaten hinsichtlich des jeweiligen Einzelfalles ein beträchtliches Einschüchterungs- und Bedrohungspotenzial innewohnt (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 Rn. 1003). Wie sich der Kläger als Funktions- und Mandatsträger der NPD zu solchen Einzeltaten verhalten hat, muss daher durch das Tatsachengericht auf der Grundlage entsprechender vom Kläger noch darzulegender Anhaltspunkte geklärt werden. Aus diesem Grund ist der Rechtsstreit gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

39 Sollte die erneute Prüfung ergeben, dass der Widerruf der Waffenbesitzkarte (Nr. 1 des angefochtenen Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids) rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, werden die auf § 46 Abs. 1 WaffG a.F. gestützte Anordnung der Rückgabe der Waffenbesitzkarte, die auf § 46 Abs. 2 WaffG a.F. gestützte Verfügung der Einziehung von Waffen und Munition sowie die auf § 20 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen gestützte Zwangsgeldandrohung (Nr. 2 und 5 des angefochtenen Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids) als Folgeregelungen ebenfalls aufzuheben sein.

40 7. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten.